Bildungsministerium stellt Weichen zur Senkung des Unterrichtsausfalls
Auf die Pressemitteilung der Landeselternvertretung Thüringens vom 11. Mai 2017 reagierte der kommissarische Bildungsminister, Prof. Dr. Hoff, mit einem Brief, der die eingeleiteten Schritte zur Senkung des Unterrichtsausfalls, wie zum Beispiel Neueinstellungen, Entfristungen und Verbeamtungen von Lehrer/-innen in Thüringen beschreibt:
Sehr geehrter Herr Rommeiß, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen der Landeselternvertretung,
vielen Dank für die Übersendung Ihrer Pressemitteilung, die ich mit Interesse gelesen habe.
Vor einigen Wochen trugen Sie und weitere Kollegen der Landeselternvertretung vor der vom Ministerpräsidenten und der Bildungsministerin eingesetzten Kommission Zukunft Schule Ihre Positionen vor. Die Kommission hat inzwischen neben der Landeselternvertretung die GEW, den tlv, die Landesschüler/innenvertretung, die LAG Freie Schulen sowie die Vertreter der Staatlichen Schulämter gehört. Dieser Austausch der Kommission mit den Interessenvertretungen resp. relevanten Akteuren im Thüringer Bildungssektor dient insbesondere zur Einbeziehung sowohl des Sachverstandes als auch der Interessen der betreffenden Institutionen in die Ergebnisse der Kommission.
Darüber hinaus traf ich mich im Rahmen meiner Vertretung der Bildungsministerin u.a. mit der Landesschüler/-innenvertretung, der LIGA der freien Wohlfahrtsverbände sowie weiteren Institutionen. Auch mit der LEV ist ein Gesprächstermin neben den Beteiligungsmöglichkeiten, wie z.B. dem Landesschulbeirat, avisiert.
Angesichts dieser unterschiedlichen Möglichkeiten der institutionellen Mitwirkung empfinde ich es als nicht sachgerecht, wenn Sie in der Pressemitteilung den Eindruck zu erwecken suchen, das TMBJS würde der LEV die Möglichkeiten der Mitwirkung beschneiden. Mir scheint das Gegenteil der Fall zu sein.
Desweiteren insinuiert Ihre Pressemitteilung ob bewusst oder unbewusst, dass die LEV anregt, zum Unterrichtsausfall in Thüringen einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss einzusetzen. Sollte es sich hier um ein tatsächlich verfolgtes Ziel der LEV handeln, hielte ich dies ebenfalls für nicht sachgerecht und dem gemeinsam verfolgten Ziel einer Thüringer Unterrichtsgarantie nicht angemessen.
Sowohl die Staatssekretärin, Frau Ohler, als auch ich haben gegenüber der LEV u.a. Institutionen deutlich gemacht, dass wir die Rahmenbedingungen setzen wollen, um die Ouote des Unterrichtsausfalls und die des fachfremd vertretenen Unterrichts zu senken und auf diesem Wege eine Thüringer Unterrichtsgarantie herzustellen.
Sie wissen als LEV, genauso wie die anderen betreffenden Institutionen, dass hierfür eine Vielzahl von Schritten zu gehen sein wird, bei denen Entscheidungen zu treffen sind, die unterschiedliche, vielfach widersprüchliche Interessen berühren werden. Die Kommission Zukunft Schule hat den Auftrag diese Schritte zu beschreiben.
Die Landesregierung und das Bildungsministerium haben in den vergangenen Wochen wichtige Weichenstellungen vorgenommen, die das Ziel verfolgen, den Rahmen für die notwendigen Anpassungen im Thüringer Schulsystem zu setzen:
1. Das Personalentwicklungskonzept2025 wurde beschlossen. Mit diesem PEK2025 erhöht sich die Flexibilität bei der Wiederbesetzung von frei werdenden Lehrer/innen-Stellen deutlich, so dass u.a. auch unterjährige Besetzungen möglich werden.
2. Darüber hinaus werden mit dem PEK2025 in den kommenden zwei Jahren deutlich mehr Neueinstellungen von Lehrer/-innen möglich sein als bislang vorgesehen.
3. Durch die Entfristung von bisher befristeten Stellen erhalten mehrere hundert Lehrer/-innen im Thüringer Schulsystem eine Beschäftigungsgarantie.
4. 130 von 135 DaZ-Lehrer/-innen haben ein unbefristetes Beschäftigungsangebot erhalten. Mit Ausnahme von rund einem Dutzend Ablehnungen des Angebots oder fehlenden Rückmeldungen werden mit allen anderen Betreffenden entsprechende Gespräche geführt.
5. Durch die Entscheidung für die Verbeamtung von Lehrer/-innen erhöht sich die Attraktivität und Wettbewerbsfähigkeit des Thüringer Schulsystems.
6. Das TMBJS setzt bereits Maßnahmen zur Erhöhung der Attraktivität des Lehrer/-innenberufs in Thüringen um, bei denen insbesondere auch Anregungen der Gewerkschaften aufgegriffen wurden.
7. Es wurde nicht nur die Vertretungsreserve für die Lehrer/-innen in Höhe von 100 VZB beibehalten, sondern erstmals eine Vertretungsreserve für Horterzieher/-innen bereits in diesem Jahr im Volumen von 50 VZB geschaffen, die im kommenden Jahr um weitere 25 VZB erhöht wird.
8. Die Horterzieher/-innen, die bislang in einem Beschäftigungsumfang von 50% oder weniger beschäftigt sind, sollen das Angebot einer Erhöhung des Beschäftigungsumfangs auf 60% erhalten. Weitere Festlegungen in diesem Zusammenhang wurden getroffen.
9. Es wurde durch Staatssekretärin Ohler und mich ein Positionspapier zur Inklusiven Bildung veröffentlicht, in dem die Hinweise von Verbänden und Institutionen aufgegriffen wurden, um basierend auf einer Bilanz der bisher erreichten Erfolge, die durchaus sehenswert und im Bundesvergleich vorbildhaft sind, die nächste Phase der Inklusion mit Augenmaß zu gestalten.
Diese Bilanz der vergangenen Monate trägt sicherlich noch nicht dazu bei, alle Probleme im Thüringer Schulsystem zu lösen, schafft jedoch, wie ich bereits ausführte, Rahmenbedingungen dafür, notwendige Veränderungen im Thüringer Schulsystem vorzunehmen, um vor dem Hintergrund von im Bundesvergleich hohen Bildungsausgaben pro Kopf, einer im Bundesvergleich ansehnlichen Personalausstattung im Schulbereich sowie ebenfalls nicht geringfügigen Regelungen der Stundenabminderung zu einem verbesserten Ressourceneinsatz im Schulbereich zu kommen. Dies setzt freilich u.a. voraus, ohne den Kampfbegriff des vermeintlichen "Angriffs auf den ländlichen Raum" über Organisationsmodelle für Klein- und Kleinstschulen in den ländlichen Räumen zu sprechen, die eine degressive demographische Entwicklung zu vergegenwärtigen haben.
Lieber Herr Rommeiß, liebe Kolleginnen und Kollegen der LEV,
wie meine vorstehenden Ausführungen zeigen, kann von einer geringen Wertschätzung des Austauschs oder fehlendem Problembewusstsein bzw. mangelndem Lösungsinteresse bezüglich der Herausforderungen des Thüringer Schulsystems keine Rede sein.
Verstehen Sie dieses Schreiben als erneutes und wiederholtes Angebot, nicht über Pressemitteilungen zu kommunizieren oder uns in Maximalforderungen zu übertrumpfen, sondern im Bewusstsein gemeinsamen Interesses an einer bestmöglichen Schullandschaft im Freistaat, notwendige Schritte gemeinsam zu gehen und daraus entstehende Widersprüche konstruktiv aufzulösen.
In diesem Sinne werde ich selbstverständlich gern am 1. Juni 2017 zur Verfügung stehen, wenn Sie und Ihre Kolleg/-innen vor dem Landtag die in einer Pressekonferenz bereits artikulierten Forderungen, zu denen wir inzwischen ja bereits im Gespräch sind und von denen das Bündnis weiß, dass ein Teil dieser Forderung realistisch unmöglich umzusetzen wäre, selbst wenn wir dies heute vereinbaren würden, überreichen wollen und sie entgegenzunehmen. Sowohl Sie und ich wissen jedoch, dass die Arbeit an der Lösung der o.a. Herausforderungen jenseits derartiger Symbolhandlungen stattfinden muss.
Ihr Einverständnis vorausgesetzt, erlaube ich mir, diese Nachricht an die LSV, die GEW-Vorsitzende und den Vorsitzenden des TLV nachrichtlich zu übersenden.
Für Nachfragen und Hinweise stehe ich gern zur Verfügung.
Mit freundlichen Grüßen
Ihr Benjamin-Immanuel Hoff