Rede zur Aktuellen Stunde „Moscheebauten in Thüringen – Nicht gegen den Bürgerwillen!“
Herr Präsident,
liebe Kolleginnen und Kollegen,
lieber Herr Malik, Vertreter der Ahmadiyya –Gemeinde in Thüringen, für die sie heute die Debatte hier verfolgen;
Damen und Herren der AfD,
unter dem Deckmantel vermeintlicher Artikulation des Bürgerwillens mobilisieren Sie Ressentiments gegenüber den Menschen muslimischen Glaubens. Die Landesregierung wird sich an diesem gefährlichen Spiel auf dem Rücken von Religionsgemeinschaften nicht beteiligen.
Ob der Islam zu Deutschland gehört, mag innerhalb des bürgerlich-konservativen Lagers debattiert werden und ich wünsche mir, dass Herr Kauder und Altpräsident Wulff hierzu eine Verständigung erreichen.
Aber Menschen, die Religionsgemeinschaften angehören, egal ob Muslime, Juden, Christen, Buddhisten, gehören zu Thüringen. Sie gehören zu Deutschland. Für sie alle gelten die Grundrechte der freien Religionsausübung. Hierzu gehört selbstverständlich die ressentimentfreie Errichtung von Gotteshäusern und Gebetsstätten. Die Landesregierung steht für interreligiösen Dialog und Austausch, genauso wie für die Akzeptanz, an keinen Gott zu glauben.
Erschwernisse der Religionsausübung, wie die AfD sie anstrebt, die sich gegen Moscheebauten richten aber jede Kirchgemeinde, jeden Verein oder jedes Wirtschaftsunternehmen treffen, sind ungeeignet.
Wer Erfurt gut kennt, weiß, dass die Gloriosa als größte Glocke des Erfurter Doms aus einer Höhe von über 30 Metern erklingt. Allein die Fenster im Hohen Chor des Doms sind jeweils 18,60 Meter hoch. Das gesamte Ensemble befindet sich ohnehin schon auf dem herausgehobenen Domberg mit seinen 70 Stufen. Selbst das Augustinerkloster-Ensemble misst an seiner höchsten Stelle etwa 25 Meter. Schauen Sie bitte hierher – an den Ort des Geschehens: Das Hochhaus des Thüringer Landtags ist 33 Meter hoch. Und die Firsthöhe am Regierungssitz in der Thüringer Staatskanzlei misst zwanzig Meter siebenundsiebzig. Der Turm des geplanten Moscheebaus soll elf Meter hoch werden.
Für uns hier in Thüringen ist es der erste geplante Bau einer Moschee, jedoch nicht der erste für die Ahmadiyya Muslim Jamaat auf deutschem Bundesgebiet:
So wurde 2008 in Berlin-Heinersdorf die Khadija-Moschee im Beisein einer breiten Öffentlichkeit eröffnet. Heute spielen Kinder unterschiedlichster Herkunft und verschiedener Kulturen auf dem dazugehörigen, öffentlich zugänglichen Spielplatz.
Anfänglicher Skepsis, befeuert von der lokalen NPD ist längst nachbarschaftliche Normalität gewichen.
Beim Thüringer Moscheebauvorhaben der Ahmadiyya Muslim Jamaat Deutschland habe ich den Eindruck, dass die Bauherrin mit ihren Plänen transparent und offen umgeht.
Das Verhältnis zwischen dem Land Thüringen und den auf seinem Hoheitsgebiet wirkenden Religionsgemeinschaften ist religionsverfassungsrechtlich bestimmt.
Im Zentrum des deutschen Staatskirchenrechts steht die Autonomie von Religionsgemeinschaften in Bezug auf die Ordnung und Verwaltung von deren eigenen Angelegenheiten: Der Bau von Sakralbauten ist eine eigene Angelegenheit der Religionsgemeinschaft, die in deren ausschließliches Selbstbestimmungsrecht fällt.
Die Gründung und Unterhaltung von Moscheen sind daher satzungsmäßige Aufgaben der Religionsgemeinschaft Ahmadiyya Muslim Jamaat Deutschland, die in der Zuständigkeit ihres Vorstands liegt. Insofern ist aber auch die Ahmadiyya Muslim Jamaat Deutschland an das für alle geltende Gesetz gebunden.
Blicken wir auf das in den Medien vorgestellte Bauvorhaben:
So fällt auf, dass es nicht nur einen Turm, sondern auch ein Gebäude gibt, das von seiner Architektur her auf den Typus der Byzantinischen Basilika, also ein traditionelles christliches Kirchengebäude, zurückgeht.
Nicht von ungefähr wurde die ursprünglich christliche „Hagia Sophia“ stilbildend für den muslimischen Moscheegebau im Orient. Tatsächlich haben Kirchen- und Moscheebau architekturgeschichtlich die gleichen Wurzeln!
Ob Kirchengebäude oder Moscheegebäude:
Der Freistaat Thüringen ist stets dazu verpflichtet, die Religionsfreiheit als Teil der öffentlichen Ordnung zu gewährleisten und sich in religiöser Hinsicht selbst neutral zu verhalten.
Wenn zu den noch erhaltenen, für das Erfurter Stadtbild bis heute so prägenden etwa 25 – weitaus höheren – Türmen nun dieser eine – in seiner Höhe wesentlich bescheidenere – hinzukäme, würde Erfurts Beiname als „Erfordia turrita – Stadt der Türme“ noch eine neue Dimension bekommen: Dieser Turm ist Ausdruck gelebter Religionsfreiheit. Ein Zeichen für ein weltoffenes Thüringen! Jedenfalls kann ich aus meiner Sicht dieser Religionsgemeinschaft bescheinigen, dass sie sich ihrem Vorhaben in anderer Haltung nähert als im 8. Jahrhundert der Heilige Bonifatius. Die von ihm gefällte Donar-Eiche, die den Germanen zur Verehrung ihrer Götter heilig war, wurde nicht von ungefähr sein ikonografisches Attribut in der Kunstgeschichte.
Keiner Kirche und keiner Religions- oder Weltanschauungsgemeinschaft geht es „an die Wurzeln“ ihrer Existenz, wenn sich eine muslimische Gemeinde friedfertig offen bekennt und zeigt. Weder ist der Bestand des erstmals von Bonifatius gegründeten Bistums Erfurt gefährdet, noch zieht das Minarett künftig jegliches Wetterleuchten vom Reformationsjubiläum ab.
Bloß weil der AfD das Flüchtlingsthema abhanden zu kommen droht, wendet sie sich jetzt mit ähnlich anmutender Phobie den Religionen zu.
Begegnen wir dem Moscheebau-Vorhaben mit gegenseitiger Achtung und Verständnis füreinander – nur so können gesellschaftlicher Zusammenhalt und ein friedliches Zusammenleben gelingen.
Im ehemals preußischen Erfurt darf man in diesem Zusammenhang gewiss den alten Preußenkönig Friedrich II. zitieren: „Jeder soll nach seiner Facon selig werden.“
Vielen Dank.