Heimat gestalten – Perspektiven der Thüringer Schlösser, Burgen und Gärten
Erschienen in: Hoff, Benjamin, Heimat gestalten – Perspektiven der Thüringer Schlösser, Burgen und Gärten; in: Kulturpolitische Mitteilungen, Heft 164 I/2019, S. 12
In diesem an Jubiläen überreichem Jahr 2019 feiert auch die Stiftung Thüringer Schlösser und Gärten (STSG) den 25. Jahrestag ihres Bestehens. Allein in die 31 Liegenschaften dieser Stiftung, zu der Einrichtungen wie die Heidecksburg in Rudolstadt, das Schloss Sondershausen, die Dornburger Schlösser oder die Veste Heldburg mit dem Deutschen Burgenmuseum zählen, wurden zwischen 1994 und 2017 rund 227 Mio. EUR investiert. Diese erheblichen Ausgaben werden ergänzt durch Investitionen, die über Denkmalschutz-, Städtebauförderung und weitere Programme sowie aus privatem Engagement finanziert wurden. Davon profitierten auch Schlösser, Gärten, Burgen, Guts- und Herrenhäuser, die nicht zur STSG gehören. Darüber hinaus investiert der Freistaat in Schlösser und Gärten, die zu Einrichtungen wie der Klassik Stiftung Weimar (KSW) gehören oder wie bei der Wartburg-Stiftung bzw. der Stiftung Schloss Friedenstein Gotha (SSFG) den baulichen Stiftungsgegenstand darstellen.
Wahrzeichen der Kulturgeschichte unseres Freistaates
Gleichwohl wird auch in Thüringen die Frage aufgeworfen, ob es verhältnismäßig sei, in hohem Umfang in die Repräsentanzen einer Epoche zu investieren, die mit der Abdankung von deutschem Kaiser, Königen und Herzögen vor 100 Jahren als beendet betrachtet werden kann. Nicht zuletzt, da aufgrund der historischen Zersplitterung Thüringens in zahlreiche Kleinstaaten bis 1920 auf verhältnismäßig engem Raum eine bemerkenswert hohe Zahl von Residenz- und Lustschlössern besteht. Zur Erinnerung: um 1700 existierten allein zehn ernestinische, zwei schwarzburgische und drei reußische Herrschaften, ergänzt um albertinische Herrschaften, die kurhessische Exklave Schmalkalden sowie kurmainzische Besitzungen. Später ließen sich zusätzlich reiche Bürger, zumal nach der Erhebung in den Adelsstand, eigene Schlösser errichten oder Burgen ausbauen.
All diese Schlösser, Burgen, Guts- und Herrenhäuser prägen bis heute die Orts- und Landschaftsbilder, beeinflussen lokale und regionale Identität und sind Anknüpfungspunkte von Kultur, Tourismus oder Wirtschaftsentwicklung. Sie erzählen Geschichten von Heimatverbundenheit, Unternehmergeist aber auch gescheiterter Privatisierungen bis hin zu Wirtschaftskriminalität. Der Umstand, dass erstmals in der Bundesrepublik inzwischen rechtswirksam die Eigentümer des Schlosses Reinhardsbrunn auf Antrag der Landesregierung enteignet wurden, beruht auf jahrelanger willentlicher Vernachlässigung des Kulturdenkmals und dessen Instrumentalisierung als Spekulationsobjekt. Wenn der vormalige Direktor der STSG, Prof. Paulus 2015 formulierte, dass für eine verfasste Demokratie Schlösser in staatlicher Treuhänderschaft ein sichtbarer Ausdruck der Souveränität des Staatsvolks seien, hat die rot-rot-grüne Landesregierung diesen Anspruch materiell untersetzt.
Kooperativer Kulturföderalismus in Thüringen
Der Wert des verflochtenen Kulturföderalismus in Deutschland spiegelt sich jenseits der letztlich im Vermittlungsausschuss überwundenen grundsätzlichen Kontroverse über den Digitalpakt Bildung in der erheblichen finanziellen Unterstützung von Bund und Land für Investitionen in die Thüringer Kulturdenkmäler wieder. Das Sonderinvestitionsprogramm für die KSW im Umfang von 150 Mio. EUR wird paritätisch getragen, davon fließen 40 Mio. EUR in die Sanierung des Weimarer Stadtschlosses. Für die Sanierung von Schloss Friedenstein in Gotha sind 60 Mio. EUR, ebenfalls im Verhältnis 50:50 aufgeteilt, vorgesehen. Das im sogenannten Blaubuch enthaltene Lindenau-Museum in Altenburg, Teil des historischen Ensembles aus Schloss Altenburg und Marstall, soll im Umfang von 42,5 Mio. EUR saniert werden.
Gleichwohl sind private Akteure sind neben der öffentlichen Hand und Vereinen bzw. anderen Dritten ein wichtiger Teil der Eigentümer- oder Betreiberlandschaft von Schlössern und Burgen. Bei der Ordensburg Liebstedt kam es sogar zu der kuriosen und wohl einmaligen Situation, dass im Thüringer Landtag die CDU gegen die von rot-rot-grün letztlich mehrheitlich beschlossene Übertragung an einen privaten Investor stimmte.
Für ein ostdeutsches Flächenland, dessen Kommunen - anders als in vielen westdeutschen Ländern - auch bald 30 Jahre nach der Wiedervereinigung noch nicht über die Gewerbe- und Finanzkraft verfügen und in denen kaum Unternehmenszentralen angesiedelt sind, sind die beschriebenen Ausgaben erheblich und tragen dazu bei, dass der Freistaat nach Sachsen die höchsten Pro-Kopf-Kulturausgaben aller Flächenländer aufweist.
Die Zukunft der mitteldeutschen Schlösser und Gärten
Dass der Deutsche Bundestag im vergangenen Jahr die Entscheidung getroffen hat, ein Sonderinvestitionsprogramm I „Mitteldeutsche Schlösser und Gärten“ für die beiden Länder Sachsen-Anhalt und Thüringen im Umfang von 200 Mio. EUR vorzusehen, die um je 100 Mio. EUR aus beiden Ländern kofinanziert werden, ist eine weitere wesentliche Unterstützung. Es bietet die Möglichkeit, sowohl begonnene Sanierungen fortzuführen, als auch den Schlössern und Burgen Zukunftsfähigkeit durch auf der Sanierung aufbauende Bewirtschaftungskonzepte zu gewähren. Darüber hinaus schafft es Planungssicherheit für Bauunternehmer, die - ausweislich von Erkenntnissen des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) - in der Erwartung von Strohfeuer-Investitionsprogrammen der öffentlichen Hand die Einstellung von dringend benötigten Beschäftigten unterlassen, was u.a. Grund für nicht abfließende Investitionsmittel der öffentlichen Hand ist.
Das Sonderinvestitionsprogramm I (SIP) für die Schlösser und Gärten Mitteldeutschlands, dem nach der Nummerierung zu schließen wohl mindestens ein zweites SIP folgen wird, wird die Stiftungslandschaft in Sachsen-Anhalt und Thüringen verändern. Nach dem Vorbild der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten ist eine länderübergreifende Stiftung geplant, an der sich beide Länder und der Bund mit den genannten Investitionen sowie Betriebskosten beteiligen wollen. Dass für die Umsetzung des SIP I eine Stiftung gegründet werden soll, zeigt ebenfalls die Dauerhaftigkeit der entsprechenden Bemühungen. Nicht zuletzt mit Blick auf die im Oktober anstehenden Landtagswahlen in Thüringen, vor allem aber mit dem Ziel des Mittelabflusses, besteht erhebliches Interesse, zügig zu der Verständigung über das Finanzierungsabkommen und die für die Stiftungsgründung notwendigen Schritte zu kommen. Im kommenden Jahr soll die Arbeit der Stiftung aufgenommen werden.